Samstag, 27. August 2022

Interview mit Maria W. Peter zu dem Buch "Verrat in Colonia"



Hallo liebe Maria,

du bist zum 3. Mal auf der Shortlist zum Goldenen Homer und ich freue mich, dass ich im Zuge dessen, dein Buch "Verrat in Colonia" lesen durfte. Nun habe ich noch ein paar Fragen an dich, schön, dass du sie mir beantwortet hast:

 

Hat sich dein Autorenalltag durch Corona verändert?

Der Schreiballtag selbst hat sich bei mir dadurch wenig verändert, da Schreiben ja ohnehin eine eher einsame Beschäftigung im stillen Kämmerchen ist. Allerdings machten es mir die Monate des Homeschooling schwieriger, Zeit zum konzentrierten Arbeiten zu finden, da meine kleine Tochter dann ausschließlich zu Hause für die Schule lernte. Was sich allerdings stark verändert hatte, war die Art der Recherche. Coronabedingt musste ich meine Reisen zu den Schauplätzen stark konzentrieren, mich mit den historischen Experten meist telefonisch oder online austauschen, statt persönlich bei einer Tasse Kaffee. Und natürlich machte ich aus Infektionsschutzgründen deutlich weniger Lesungen als zuvor.

 

 

Wie sieht ein Arbeitstag bei dir aus? Zu welcher Tageszeit schreibst du? Zu welcher Zeit kommen deine besten Einfälle? Hast du auch Wochenende oder Urlaub? Oder schreibst du immer? 

Irgendwie arbeite ich tatsächlich (fast) immer. Wenn ich nicht buchstäblich in die Tasten haue, kritzele ich Ideen auf ein Stück Papier, denke über Plots und Figuren nach. Oder ich recherchiere zu den unterschiedlichsten historischen Themen. Irgendwie schaffe ich es nur selten, irgendetwas zu tun, ohne dass meine Gedanken früher oder später wieder zu irgendwelchen Romanprojekten abschweifen. Am kreativsten sind für mich die Morgenstunden. Da bin ich frisch, energiegeladen und voller Ideen. Aber auch am Abend habe ich meist sehr produktive Phasen. Urlaub gönne ich mir nur selten, wobei ich eine große, bunte Familie habe, die mich zeitlich sehr beansprucht und für die ich immer da sein möchte. Doch gibt es einen Tag im Jahr, den ich mir tatsächlich komplett freihalte, meinen „Boxing Day“, den 26. Dezember, (den traditionellen Urlaubstag des Dienstpersonals in der britischen Welt). Da schicke ich den Rest meiner quirligen und lauten Familie auf Verwandtenbesuch und gönne mir einen Tag, an dem ich wirklich überhaupt keine Verpflichtungen habe, noch nicht einmal Kochen.

 


 

Hast du Schreibrituale/-routinen?  

Schreibrituale im engeren Sinne habe ich nicht. Jedes Buch ist irgendwie anders und möchte auf seine eigene Art angegangen werden. Keine Ahnung wieso. Wie gesagt, arbeite ich am allerliebsten in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden, ganz alleine, ohne irgendwelche Geräusche um mich herum, mit einer Tasse Kaffee in der Hand und einem schönen Roman an meiner Seite, von dem ich mir in meinen eigenen Schreibpausen dann ein Kapitel gönne. Das ist meine persönliche Idealvorstellung. In der Realität sieht es aber oft anders aus, da reichen die wenigen wirklich ruhigen Stunden am Tag nicht aus. Also schreibe ich auch, wenn ich meine Tochter zum Sport oder zur Musikschule bringe und im Auto auf sie warte. Oder höre laute Musik über Kopfhörer, um mich an unruhigen Nachmittagen von der Außenwelt abzuschirmen und meine Muse dazu zu zwingen, Ideen auszuspucken. Alles was hilft, den Schreibfluss in Gang zu halten, ist mir willkommen.

 

 

Bei Wikipedia habe ich gelesen, dass du seit deiner Kindheit schreibst und auch verschiedene Genres ausprobiert hast. Heute schreibst du im historischen Bereich, fühlst du dich hier am wohlsten? Kannst du dir vorstellen auch mal einen Roman in der Gegenwart zu schreiben? 

Ja, absolut. Am liebsten im Bereich Krimi. Das würde mir Spaß machen.

 

 

Was fasziniert dich denn an dem 3. Jahrhundert? Und wie recherchierst du dazu? 

Mich fasziniert die Römerzeit allgemein, die gallorömische Welt im Speziellen, also die Verschmelzung keltischer Kultur und Tradition mit der römischen, wie es besonders in der Moselregion der Fall war. Daher spielen meine Invita-Romane auch vorwiegend an Mosel, Saar und Rhein, in der Welt meiner Vorfahren sozusagen. Das dritte Jahrhundert ist nur eine der vielen spannenden Epochen, eine Phase der politischen Umbrüche und Umwälzungen. Römische Kaiser, die auf kriegerische Art, mit der Unterstützung ihrer Armeen an die Macht kamen, römische Statthalter mit wechselhaften Loyalitäten. Und nicht zuletzt Alemannen und Franken, die damals Rhein und Limes überschritten, römische Siedlungen und Gehöfte überfielen.

Die historische Recherche empfinde ich immer als ganz besonders zentral. Am Anfang eines neuen Projektes stöbere ich meist erstmal im Internet, suche die wichtigsten historischen Daten zusammen. Dann sichte ich die Literatur, kaufe oder leihe Fachbücher, spreche mit Historikern und erarbeite auch die Mentalität der Menschen dieser Zeit. Anschließend entwickele ich die Handlung und besuche die Originalschauplätze, suche Sekundärliteratur, aber – falls vorhanden - auch Originalquellen in Archiven, befasse mich mit historischen Inschriften und ihrer Deutung und lese auch Briefe und Beschreibungen von Zeitzeugen. Jedes noch so kleine Detail muss stimmen, bis hin zur Farbe der Stoffe, dem Muster der Mosaike, Wandbemalungen, Speisen, Traditionen... und natürlich alle Orte, Städte und Straßen, die ich beschreibe. Dazu mache ich – wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht - mehrere Recherchereisen, verbringe viel Zeit in Museen und im Gespräch mit Experten. Auch während des Schreibens konsultiere ich immer wieder Historiker, lasse verschiedene Kapitel, meist aber das gesamte Manuskript noch einmal von ihnen überprüfen.

 

 

Wenn du deine Geschichte schreibst, fühlst du dich ins 3. Jahrhundert ein? Kannst du dir vorstellen, selbst in dieser Zeit zu leben? 

Um Himmels Willen nein! Um nichts in der Welt würde ich die gute medizinische Versorgung, den Rechtsstaat und die Demokratie unserer heutigen Zeit gegen irgendeine frühere Epoche eintauschen. So spannend ich die Römerzeit – und andere Jahrhunderte der Vergangenheit – auch finde, mehr als eine kurze Zeitreise zwecks Recherche, würde ich dorthin nie machen wollen.

Dennoch bin ich geistig und emotional sehr wohl in den Epochen zuhause, über die ich schreibe. Meist recherchiere ich sehr lange und sehr intensiv über die Zeit, auch darüber, wie die Menschen damals dachten und fühlten. Bevor mein erster Römerroman auf den Markt kam hatte ich mich zuvor fast zwanzig Jahre mit der Römerzeit befasst, an der Uni Alte Geschichte und Klassische Archäologie belegt, in der Schule Latein gelernt und später selbst unterrichtet – bis mir die damalige Weltsicht, ihre Denkweisen, Alltag und Politik quasi in Fleisch und Blut übergegangen waren. 

 

 

Ich finde es spannend, dass du eine Sklavin zur Hauptperson und Ermittlerin gemacht hast? Wie bist du darauf gekommen? 

Das war irgendwie Zufall, eine spontane Idee, geboren aus einem dieser mysteriösen Inspirationsschübe, die man als Autor zwar kennt, aber nur schlecht erklären kann. Bereits als Teenager hatte ich mich an einem Römerroman versucht, der zur Zeit der römischen Republik angesiedelt war. Nach meiner Rückkehr aus den USA, wo ich Journalismus studiert hatte, schrieb ich den Rohentwurf eines Buches, das zur Zeit des Kaisers Septimius Severus, also im 2. Jahrhundert n. Chr. angesiedelt war. Das Thema Sklaverei spielte dabei zwar auch immer eine gewisse Rolle, doch nie hatte ich es gewagt, eine Sklavin zur weiblichen Hauptfigur zu machen. Doch plötzlich war da Invita in meinem Kopf, diese vorlaute Sklavin, die sich aufgrund ihrer Neugierde und Begeisterung für verbotene Schriftrollen stets in Schwierigkeiten bringt... und diese Figur hat mich bis heute nicht losgelassen.

 


 

Ist das Ermitteln der Sklavin Invita deine dichterische Freiheit oder meinst du, sie hätte wirklich zu dieser Zeit ermitteln können? 

Wer meine Bücher kennt, weiß, dass ich mir so etwas wie dichterische Freiheiten nie erlauben würde. Meine Romanhandlungen basieren stets entweder auf tatsächlichen historischen Ereignissen oder darauf, wie es, nach allem, was wir durch die archäologische und historische Forschung wissen, gewesen sein könnte. Das gilt natürlich auch für die Figuren in meinen Büchern. Tatsächlich gab es in der Römerzeit sehr viele hochgebildete Sklaven, die durchaus darüber im Bilde waren, was im Haushalt oder auch in der Politik vor sich ging. Viele Politiker hielten sich sehr bewusst Sklaven und Freigelassene als Berater. Zudem kann eine Sklavin wie Invita auch in solchen Milieus unbemerkt Nachforschungen anstellen, in denen ein hochrangiger römischer Bürger gleich Misstrauen erregt hätte, zum Beispiel der Gesindeküche oder den Heizräumen.  Allerdings begibt sich eine Sklavin wie Invita durch ihre Neugierde auch in größere Gefahr, da sie sehr oft, ohne die Zustimmung – oder das Wissen - ihres Herren agiert.

 

 

Als du den ersten Teil geschrieben hast, hattest du schon die anderen Geschichten im Kopf?  Wieviele Teile sind angedacht? 

Von Anfang an war mir klar, dass die Geschichte um Invita der erste Band einer Serie sein würde. Ich persönlich liebe Romanserien, da man darin immer wieder auf alte Bekannte trifft und eine umfangreiches Geschichte mit vielen ineinander verwobenen Fäden entwickelt werden kann, während zugleich jeweils ein Teil der Handlung, ein bestimmtes Thema, mit jedem Band zentral beleuchtet und auch abgeschlossen werden darf. Die Invita-Reihe ist auf sechs Bände angelegt, wobei die Bände mit ungeraden Nummern, also 1,3 und 5 eher gesellschaftliche oder auch philosophische Themen, die geraden Bände, also 2,4 und 6 eher eine politische, bisweilen auch militärische Thematik aufweisen.

 

 

Ich bin seit Kindertagen eine Leseratte und mein Geschmack hat sich immer mal wieder geändert. Ist es bei dir auch so. Welchen Genre liest du aktuell am liebsten? Welches Buch ist dein Currently Reading? 

Ja, das kenne ich auch. Geschmäcker ändern sich, gerade mit dem Lebensalter und den eigenen Lebenserfahrungen, die man so gemacht hat. Doch irgendwie mochte ich immer gerne historische Themen und Science Fiction, (seltsame Mischung, ich weiß). Später kam dann auch noch die Kriminalliteratur hinzu, die mich im historischen Kontext ebenso fasziniert wie in der Jetztzeit.

Tatsächlich ist mein bevorzugtes Romangenre auch die historische Kriminalliteratur, aber grundsätzlich lese ich alles querbeet. Solange die Sprache etwas in mir, als Leserin, zum Klingen bringt, Handlung und Figuren überzeugen, ist es mir beinahe gleichgültig, ob das Buch auf dem Mond oder in der Antike angesiedelt ist, in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft spielt.

Gerade lese ich aber wieder verschiedene historische Krimreihen.

 

 

2018 hast du ja den "Goldenen Homer" gewonnen. Darüber warst du bestimmt richtig glücklich. Was hast du gedacht als du dieses Jahr wieder auf der Shortlist gekommen bist? 

Tatsächlich kam ich mit „Verrat in Colonia“ bereits zum dritten Mal auf die Shortlist für den Goldenen Homer – zuvor 2015 mit „Die Küste der Freiheit“, einem Roman über deutsche Auswanderer, Mennoniten und Soldaten während der Amerikanischen Revolution und dann 2018 mit „Die Festung am Rhein“, die letztendlich auch mit dem Preis ausgezeichnet wurde. Jedes einzelne Mal habe ich mich über alle Maßen darüber gefreut. Es ist mir eine ganz besondere Ehre, für einen Preis nominiert zu sein, bei dem der historische Aspekt der Handlung eine ebenso große Bedeutung hat, wie Spannung, Dramaturgie, Figuren und Sprache. Das zeigt mir, dass sich all die Mühen der jahrelangen Recherche ausgezahlt haben, es mir gelungen ist, meine Leserinnen und Leser in eine versunkene Vergangenheit mitzunehmen.

 

 


Danke liebe Maria, für deine Zeit und deine interessanten Antworten. Für den 1. Oktober 2022 in Ingolstadt drücke ich dir beide Daumen.

(Die Fotos wurden mir von der Autorin zur Verfügung gestellt.)

Dies ist der vierte Fall mit der Sklavin Invita:


Hier habe ich eine Liste mit Links der Interviews von den anderen Autoren auf der Shortlist:

 

30. Juli 2022 – Ullas Leseecke interviewt Petra Schier

30. Juli 2022 – Carmens Bücherkabinett interviewt Mac P. Lorne

6. August 2022 – Frau Goethe liest interviewt Johanna von Wild

6. August 2022 – Buchtempel interviewt Silke Böschen

13. August 2022 – Lesebuch interviewt René Anour

20. August 2022 – Bücherheike interviewt Birgit Hermann

20. August 2022 – Das Bücherhaus interviewt Marco Hasenkopf

27. August 2022 – Angeliques Leseecke interviewt Maria W. Peter

27. August 2022 – Svanvithe interviewt Juliane Stadler

3. September 2022 – Nicht ohne Buch interviewt Ana Pawlik

3. September 2022 – Kunterbunte Bücherreisen interviewt Ulf Schiewe                                                                                                                                       

 

Die Termine der Lesungen findet ihr hier:












Petra Schier: https://youtu.be/AXTgJzRDiyA

Mac P. Lorne: https://youtu.be/44oLsScAFWQ

Johanna von Wild: https://youtu.be/k4LjD8k7OgU

Silke Böschen: https://youtu.be/6WD4-0vko-Q

René Anour: https://youtu.be/EYlRJr3OpbE

René Anour: https://youtu.be/r6KUcsablsI

Birgit Hermann: https://youtu.be/AOgqRYxMcig

Marco Hasenkopf: https://youtu.be/GmJMGhliLZA

Maria W. Peter: https://youtu.be/if7ftaIGJTo

Juliane Stadler: https://youtu.be/jsex4AXWCB8

Ulf Schiewe: https://youtu.be/rEtSgDXgDCE

Ana Pawlik: https://youtu.be/4S3M1wZKDDc



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen